Rein theoretisch scheint es ganz einfach zu sein: Nach dem wissenschaftlichen Dreiecks-Modell von Karl Bühler geht es beim Kommunizieren lediglich darum, dass ein Sender (1) ein – wie auch immer artikuliertes – sprachliches Zeichen (2) einem Empfänger (3) übermittelt. Doch wie oft scheint an diesen drei Ecken des Modells immer wieder irgendetwas schiefzugehen. Denn sehr häufig ist zum Beispiel im Arbeitsleben die Rede davon, dass die Dinge bei den Arbeitsabläufen „nicht richtig kommuniziert“ würden, und dass eine Arbeit deshalb immer wieder feststecken, sich „verhaken“ würde bis zu ihrer Fertigstellung. Auch in der Politik werden Wahlniederlagen gerne so erklärt: „Wir hatten und haben ja doch die absolut richtigen Lösungen für die Probleme gefunden – sie wurden dem Wahlvolk nur leider nicht richtig kommuniziert…“ – Aber wie funktioniert denn nun dieses „Kommunizieren“?  Und zwar so, dass man es auch als „richtige“, gelungene Kommunikation bezeichnen kann, die für reibungslose, erfolgreiche Abläufe im Alltag sorgt?

Drei Funktionen von Sprache

Nach dem Verständnis der Semiotik (Zeichenlehre) ist wichtig festzuhalten, dass sich das Sprachzeichen auf seiner Seite des Dreiecks immer auf einen ganz bestimmten Gegenstand oder Sachverhalt bezieht. Und wenn eine „Kommunikation“ genannte Zeichenübermittlung ihren Schwerpunkt genau auf diesen sachlichen Bezugspunkt legt, dann hat sie eine vornehmlich darstellende, beschreibende Funktion.

Neben der Darstellung gibt es nach Bühler nun noch zwei weitere Funktionen: Liegt der Schwerpunkt einer Botschaft nämlich auf der Sender-Seite, dann geht es um den Ausdruck. Ein besonders mitteilungsbedürftiger Sender möchte seine Gefühle und Gedanken „zum Ausdruck bringen“ und kümmert sich dabei – wie bei einem Post in sozialen Medien – weder um die objektive Darstellung seiner Inhalte, noch darum, ob und wie seine Mitteilung bei den Empfängern überhaupt ankommt.

Und damit ist auch schon die dritte Seite des Dreiecks angesprochen, und zwar die des Empfängers: Zielt eine Botschaft hauptsächlich darauf ab, dass sie vom Empfänger auch genauso aufgenommen wird, wie sie beabsichtigt ist, so hat sie einen appellativen Charakter. Die Funktion des Appells löst beim Empfänger im Idealfall also eine Reaktion aus und veranlasst ihn zu einem bestimmten vorgesehenen Handeln, so wie das Pitch Deck eines StartUp-Unternehmens das Interesse und die Investitionsbereitschaft bei den angesprochenen Kapitalgebern wecken soll. Liegt genau hier der Schlüssel zur gelingenden Kommunikation?  Bei Botschaften, die auch exakt das bewirken, was sie bewirken sollen?

Befehlsempfänger und Zielgruppen

Das „richtige Kommunizieren“ alleine auf die Appell-Funktion von Sprache zu verkürzen, wäre sicherlich ein fragwürdiger Ansatz, denn die anderen beiden Funktionen (Darstellung und Ausdruck) haben zweifelsohne – je nach Gesprächssituation – schließlich auch ihre Berechtigung und ihren Stellenwert. Aber wahrscheinlich sind wir der Sache langsam „auf der Spur“. Die beiden Extrembeispiele für das erfolgreiche Funktionieren eines Appells verdeutlichen nämlich, dass die Beziehung zwischen Sender und Empfänger dabei eine ganz entscheidende Rolle spielt. Diese ist im Erfolgsfall entweder geprägt von

  1. der Autorität des Senders, also einer hierarchischen Beziehung, oder von
  2. der Empathie des Senders.

Bei einer hierarchischen Beziehung wird der Empfänger im Extremfall zum blind gehorchenden Befehlsempfänger, wie etwa beim Militär oder in einem Beamtenapparat. Dagegen erfordert die empathische Beziehung eine gewisse Vorleistung vom Sender, bevor er seine appellative Botschaft übermitteln kann: Er muss sich erst einmal in seine empfangende „Zielgruppe“ einfühlen und deren genaue Neigungen, Interessen, Stärken und Schwächen usw. studieren, um auf dieser Grundlage seinen Appell dahingehend zu gestalten, dass er auf der Empfangsseite genau „den Nerv trifft“, der auch die gewünschte Reaktion auslöst. Nach diesem empathischen Prinzip funktioniert zum Beispiel die Propaganda eines totalitären Systems. Aber auch jede kundenorientierte Werbung, wie etwa das Marketing für ein Plissee Rollo nach Maß, beruht darauf.

Woran Kommunikation scheitern kann

Hat ein Sender dagegen weder ausreichende Autorität noch das nötige Einfühlungsvermögen, so ist seine Nachricht mehr oder minder zum Scheitern verurteilt. Und um es auf einen allgemeineren Nenner zu bringen: Fehlt dem Sender jedwedes Bewusstsein für die situativen Voraussetzungen seiner Kommunikation, dann hat er kaum Chancen, seine Empfänger überhaupt zu erreichen. Das kann sich darin äußern, dass er „nicht die richtigen Worte findet“, dass er sich an die falschen Adressaten wendet, einen schlechten Zeitpunkt oder das falsche Medium für seine Ansage wählt oder wegen fehlender Schallabsorber mit Wunschmotiv in einer schlechten Raumakustik erst gar nicht bis zu seinen Zuhörern vordringt.

Allerdings wäre es zweifellos ungerecht, die „Schuld“ für misslingende Kommunikation ausschließlich am (Un-)Vermögen des Senders festzumachen. Ist ein Empfänger überhaupt nicht an einer Kommunikation interessiert, also von vornherein gar nicht „empfangsbereit“, wird sich wohl jeder noch so rhetorisch begabte Sender erfolglos abmühen, um auch nur einen Funken seiner Aufmerksamkeit zu erhalten. Genauso kann auch der vermittelte Inhalt, der thematische Bezugspunkt einer Botschaft, qualitativ oder quantitativ völlig ungeeignet sein, um die gewünschten Prozesse in Gang zu bringen, geschweige denn am Laufen zu halten. Das heißt: Auch an den anderen beiden Ecken des Bühlerschen Dreiecks kann Kommunikation scheitern. Weil der Sender aber immer als der alleinige Verursacher von Kommunikation wahrgenommen wird, ist man natürlich geneigt, ihm deshalb auch alle Verantwortung für ihr Scheitern zuzuschreiben.

Das richtige Wort zur richtigen Zeit im richtigen Kanal

Was an besonders „begnadeten Kommunikatoren“, wie etwa Ronald Reagan oder Robert Habeck, so fasziniert, ist dass sie über die außergewöhnliche Gabe verfügen, aufgrund ihrer charismatischen Ausstrahlung und ihrer rhetorischen Gewandtheit selbst bei äußerst schwer zu vermittelnden Inhalten immer den richtigen Ton zu treffen scheinen, um auch bei einem weniger geneigten Publikum für die notwendige Aufmerksamkeit zu sorgen. Ein solcher Idealfall führt umso mehr die Vielschichtigkeit des Kommunizierens vor Augen: Es müssen eben sehr viele Faktoren zusammen kommen in dem einen entscheidenden Moment der Zeichenübermittlung, damit Kommunikation gelingt. Und dies alles vereinen Kommunikations-Genies in sich, um mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit und am richtigen Ort ihr Anliegen nachhaltig an den Mann und die Frau zu bringen. Das Gespür für den richtigen Moment, eine angemessene und verständliche Sprache sowie das passende Medium einer Botschaft mag zwar nicht jedem „in die Wiege gelegt“ sein, doch gerade das Bewusstsein um diese wichtigen Faktoren sollte es jedem ermöglichen, sich im Lauf der Zeit eine gute, zielführende Kommunikationsfähigkeit anzueignen. Dann gehören bequeme Ausreden wie „Wir haben das nicht richtig kommuniziert“ der Vergangenheit an.