Spätestens seit der US-Präsidentschaft von Donald Trump, wenn nicht schon vorher mit dem weltweiten Aufkommen erfolgreicher populistischer Bewegungen in der Politik, ist der Begriff „Fake News“ in aller Munde. Ursprünglich als fundamentale Systemkritik an den als „Lügenpresse“ gebrandmarkten öffentlichen Medien des Establishments gedacht, hat er sich mit der Zeit als vermeintlich bestes „Totschlag-Argument“ gemausert, um grundsätzlich den Wahrheitsgehalt der Ausführungen des politischen Gegners in Frage zu stellen und sich erst gar nicht mit ihnen sachlich auseinandersetzen zu müssen.

Kritisches Korrektiv gegen Desinformation

Um einer solchen argumentativen Bequemlichkeit aber entgegenzuwirken, entwickelten amerikanische Tageszeitungen zu Beginn der Trump-Ära das Mittel des Faktenchecks, mit dem vor allem Trumps umstrittene Aussagen nach möglichst objektiven Kriterien des professionellen Journalismus sowie wissenschaftlicher Autoritäten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft wurden und laufende Diskussionen damit wieder auf eine allgemeingültige, sachliche Ebene gebracht werden sollten. Auf diese Weise kam die Washington Post, die Trumps präsidiale Statements von 2016 – 2020 systematisch in einer Datenbank erfasst hat, auf die beeindruckende Zahl von mehr als 20.000 Falschaussagen, irreführenden Behauptungen und glatten Lügen, die der Präsident während seiner Amtszeit vorzugsweise als Tweet, aber natürlich auch über andere Medien, in die Welt jenseits der Motorrollos nach Mass an den Fenstern des Oval Office hinausgesendet haben soll.

Natürlich zweifelt der so Gescholtene die Objektivität solcher und ähnlicher Versuche zur Wiederherstellung eines journalistischen Common Sense vehement an und spricht seinerseits von Fake News und einer „Hexenjagd“ gegen ihn, die sich z. B. in der nie enden wollenden Wertung seiner vielen desinformierenden Aussagen im Pinocchio-Nasen-Ranking der Washington Post äußert. Durch die Schaffung sogenannter „alternativer Fakten“ geht Trump sogar noch einen Schritt darüber hinaus, um mithilfe eigener Medien in einer leicht kontrollier- und manipulierbaren Informationsblase die Realität der Andersdenkenden entweder ins Lächerliche zu ziehen oder ganz auszublenden.

Welche Fakten hätten’S denn gern?

So kann nun, im 2016 begonnenen „postfaktischen Zeitalter“, all das belegbar Faktische, das einem politisch nicht in den Kram passt, je nach Belieben teilweise oder komplett durch subjektiv gefühlte Wahrheiten ersetzt werden – welche nicht zuletzt auch den allerbesten Nährboden für Verschwörungstheorien, Hetzkampagnen und Deep Fake Videos bieten. Doch was bedeutet es für die gesellschaftliche Debatte, wenn gar nicht mehr richtig kommuniziert wird? Wenn sich jeder in seine selbstgeschaffene Blase zurückzieht, die nur noch von den Nachrichten, Meinungen und Algorithmen der Informationsquellen des persönlichen Vertrauens gefüttert wird? Suchen wir noch das gemeinsame Gespräch, um unser Zusammenleben leichter gestalten zu können? Finden so zielführende Diskussionen auf der Grundlage recherchierbarer Argumente, ein aufrichtiger Meinungsaustausch, geschweige denn offene Aussprachen überhaupt noch statt?

All dies ist nicht zuletzt zur unvoreingenommenen Meinungsbildung und demokratischen Findung gemeinsamer Entscheidungen immer wieder erforderlich. Doch lassen sich zu diesem Zweck die selbstgewählten Käfige pseudo-individualistischer Informationsfilter wieder sprengen? Oder droht die reale Welt physisch erlebbarer Fakten der virtuellen Welt autokratischer Manipulation zu unterliegen? Jede und jeder einzelne hat es durch sein Informationsverhalten und sein Interesse am gemeinsamen Diskurs selbst in der Hand. Wer sich ständig nur hinter das passgenaue Plissee seines Wohn- oder Arbeitszimmers in einer Filterblase verschanzt, belügt sich letztendlich selbst. Informationen im Zweifelsfall besser kritisch zu hinterfragen und mit den Meldungen aus einem möglichst breiten Spektrum weiterer Informationsquellen abzugleichen, lohnt sich immer und kommt erfahrungsgemäß der Wahrheit ein gutes Stück näher.